Die älteste Vereinsfahne der
Stadt - die des Gummersbacher
Schützenvereins von 1833 e.V.

Gummersbachs erstes Rathaus. Um 1850 von dem Fabrikanten Wilhelm Müller als Wohn- und Geschäftshaus erbaut, wurde es 1861 von der zur Stadt avancierten Gemeinde erworben; es diente nicht nur als Bürgermeister-, sondern auch als Landratsamt (um 1890).

Die Jahrzehnte nach der Eingliederung der Bürgermeisterei Gummersbach in das Königreich Preußen (1815) waren in wirtschaftlicher Hinsicht von weitgehender Stagnation geprägt (bis ca. 1860). Insbesondere das eisenverarbeitende Gewerbe hatte während der Napoleon-Zeit durch die Kontinentalsperre seine wichtigsten Märkte verloren. Die technisch weit überlegene britische Konkurrenz ließ auch ihre „Zurückeroberung“ nicht zu. Zudem litt die Wirtschaft des Ortes trotz des Baues der Köln-Olper Straße - auf der Trasse der heutigen B 55 - zunehmend unter ihrer schlechten Verkehrsanbindung.

Administrativ und politisch hingegen erfuhr Gummersbach durch die Erhebung zum Hauptort des neu geschaffenen Kreises Gummersbach (1825) und die Verleihung der Stadtrechte im Jahre 1857 eine Aufwertung. Dabei war es das Anliegen des Bürgermeisters wie aller Gemeindeverordneten, dass das gesamte Gebiet der Bürgermeisterei - und nicht nur der engere Kern wie im benachbarten Neustadt - in die Stadt übernommen werde. Nach harten Verhandlungen mit der Regierung gelang dies auch. Zur Zeit der Revolution 1848/49 – die aktiven Gemeindebürger waren mehrheitlich Anhänger der Liberalen – entwickelte sich Gummersbach zum wichtigsten politischen Kommunikationszentrum im Oberbergischen. Die Ära nur lokal bezogener politischer Auseinandersetzungen war damit endgültig vorbei.

 Dieringhausen um 1865: damals ein Fackwerkdörfchen von rund 100 Einwohnern - vierzig Jahre später hat es die zehnfache Einwohnerzahl und ist Teil einer ausufernden Industrieschiene.

Q: Theodor Braeucker: Derschlag 1845

... Im Jahre 1845 kam ich als Lehrer hierher. Derschlag hatte sich in den 15 Jahren sehr wesentlich geändert. Die Chaussee ging durch und brachte viel Leben und Verkehr. Die neue Barthel’sche Baumwollspinnerei war gebaut und hatte Fremde hereingezogen. Die Zahl der Wirtshäuser war auf 9 gestiegen, und alle fanden reichlich Gäste. Drei Kegelbahnen sorgten überdem für angenehme Motion. Die geschlossene Gesellschaft hatte sich aufgelöst, und ihre Bibliothek war verschwunden. Es bestanden aber dafür zahlreiche „offene“ Gesellschaften, in denen die Karte fleißig durchblättert wurde. Viele Gewohnheitstrinker gab es, auch unter der Arbeiterklasse, und der Grundsatz hatte Platz gegriffen. Wer niemals einen Rausch gehabt, der ist kein braver Mann. Die frühere Heiterkeit und Herzlichkeit war Schein geworden. Neid, Misstrauen, und Feindschaft hatten sich in den Familien eingenistet. Der Wahlstand [Zahl der Hausbesitzer] war gesunken; die meisten Häuser und Hausväter waren mit Schulden belastet und viele Familien zu Grunde gegangen. 1/3 des Schulgeldes musste niedergeschlagen werden. Der Luxus war gestiegen, die Sitten waren freier geworden. An Stelle der geistreichen Gespräche über allgemein interessante Gegenstände war ein unerquickliches Disputieren über Politik und Religion und ein witzelndes Durchhecheln aller Fehler und Tugenden von Freund und Feind getreten, kurz der stille Frieden von 1830 war von Derschlag gewichen und ist bis heute noch nicht dahin zurückgekehrt. ...

Aus: Derschlager Schulchronik von Theodor Braeucker (1815 – 1882), Ms. o. J., S. 89 ff; das Manuskript wird verwahrt in der Gummersbacher Kreis- und Stadtbücherei. Th. Braeucker war Pietist und politisch Konservativer.

 Derschlag um 1850: Links die Baumwollfabrik Barthels (das Türmchen enthielt die Glocke, die die Arbeitszeit markierte); anschließend der Barthel´sche Park.

Exkurs: Die Revolution von 1848/49

Q: Aufruf

Mitbürger! Die große Sache der Freiheit hat auch in Preußen für immer gesiegt. Wir verdanken diesen Sieg dem heldenmütigen Volke von Berlin. Mit Stolz, mit Jubel und Begeisterung blicken wir nach jenem Volke hinüber, dass einen Löwenmut, eine Todesverachtung zeigte, wovon wir aus den glorreichen Zeiten der Griechen und Römer nicht größere Beispiele verzeichnet finden. Jeder Stein des Straßenpflasters von Berlin ist uns ein Monument deutscher Freiheit geworden. Aber um den Altar, auf dem die Flamme dieser Freiheit hell lodert, stehen auch die Witwen und Waisen, denen von den Wangen neben den Tränen der Freude über den errungenen Sieg, auch die Tränen der Trauer herabrollen, Tränen über den Verlust ihrer Erhalter und Ernährer. Mit Freuden, mit Wetteifer wird das deutsche Volk die heilige Pflicht erfüllen, sich fortan als Erhalter und Ernährer jener Witwen und Waisen hinzustellen. Bleiben wir nicht zurück bei diesem schönen Werke, und die Gaben, welche wir darbringen, seien Zeugen, dass auch wir weinen darüber, dass mit so viel edlem Bürgerblute die Freiheit errungen werden musste. Aber trösten wir uns mit dem Gedanken, dass auch die Freiheit das höchste Gut ist, und darum eines großen Opfers wohl wert.
Die Redaktion ist mit Freuden bereit, die Gaben für die Hinterbliebenen der im Freiheitskampfe zu Berlin Gefallenen entgegen zu nehmen.

Aus: Gummersbacher Kreisblatt vom 25. März 1848
Diese Zeitung – die erste und zu dieser Zeit einzige im Kreis Gummersbach– erschien zweimal wöchentlich und war bis dahin unter dem Druck der preußischen Pressezensur vollkommen apolitisch, eher einer heutigen Unterhaltungsbeilage vergleichbar.


Q: Aufruf zur Bildung einer Bürgerwehr

Gummersbach, den 26. März 1848
Der alten Knüppel-Russen-Zeit eingedenk, kamen heute auf Einladung des Gemeinderates die Bürger hiesigen Orts im Schützenzelt zusammen, um sich als Bürgerwache zu organisieren und zunächst eine Schutzwehr gegen etwaige Angriffe fremden Raubgesindels zu bilden. Auf den Wunsch vieler Anwesenden ergriff ein Freiheitskrieger von 1815 das Wort, machte die Versammlung in ergreifender Rede mit dem durch den Ernst der Zeit gebotenen Zweck bekannt und schlug ihr zum Anführer den früheren Artillerie-Offizier Herrn Steuerempfänger Kühne vor, welcher auch sofort durch Acclamation erwählt wurde. Der Kommandant teilte hierauf die Bürgerschaft in vier größere Abteilungen, deren jede sich einen Zugführer aus ihrer Mitte wählte.
Ihren erhabenen Beruf erkennend, beteiligte sich auch die hiesige Schützengilde [Gummersbacher Schützenverein] an der gemeinsamen Sache und stellte ihre ganze Korporation unter die obere Leitung des Bürgeroffiziers, was um so erfreulicher, da sie meist mit guten Schußwaffen versehen, der trefflichen Schützen nicht wenige zählt. Die Bürger, welche noch keine Waffen haben, werden einem Versprechen der hohen Behörde gemäß baldigst damit versehen werden.
Nachdem alle nötigen Anordnungen getroffen, trennte sich die mehrere Hunderte zählende Versammlung, stark und mutvoll im Gefühle vollkommener Eintracht.

Aus: Gummersbacher Kreisblatt vom 29. März 1848

Exkurs: Industrialisierung

Q: Fabrikarbeit um 1875

Aus den Erinnerungen einer ehemaligen Baldus-Arbeiterin, die 1875 als 14jähriges Mädchen in die Firma eintrat; damals gehörte die Spinnerei noch Eduard Müller aus Gummersbach.
... Wenn in aller Frühe die Glocke hoch oben im Dachtürmchen läutete, begann für uns unten in der Fabrik ein zwölfstündiger Arbeitstag.
Blakende Petroleumlampen sorgten damals in der dunklen Jahreszeit notdürftig für Licht, zwei wuchtige Öfen im Erdgeschoß, deren Rohre durch alle Etagen zum Dach hochliefen, versuchten Wärme zu verbreiten. Nahm die Kälte draußen zu und ließ das große Wasserrad, das über Transmissionen die paar Maschinen antrieb, einfrieren, dann konnte die Belegschaft bis auf einige ältere Arbeiter, die Wartungs- und Reparaturarbeiten verrichteten, zu Hause bleiben – dann wurde aber auch nichts verdient. Wenn das Wasserrad im Sommer aus Wassermangel stockte, konnten sich die arbeitslos gewordenen Spinner wenigstens auf ihren Feldern nützlich machen.
Im Erdgeschoß waren Reißerei, Mischerei und Wolferei untergebracht, also die Vorrichtungen, um Lumpen zu zerreißen, mit Wolle zu vermischen und das Ganze zu einem lockeren Gemenge aufzubereiten. Im 1. und 2. Stockwerk befanden sich je zur Hälfte Krempelsätze, auf denen das Gemisch aus Lumpen- und Naturwolle zu spinnfähigem Flor weiter aufgelockert wurde, und die Handspulen, das waren Spinnmaschinen, die von Menschenkraft angetrieben wurden (das Hin- und Herschieben war eine schwere körperliche Arbeit, und nur Männer kamen dafür in Frage). Handspulen füllten auch das 3. Stockwerk; und im Dachgeschoss befanden sich Häspel und Zumacherei, also die Stranggarnaufbereitung. Die Belegschaft damals: 36 Arbeiter. ...

Aus: Das 1934 begonnene „Gemeinschaftsbuch“ der Textilfirma Hermann Baldus KG / Friedrichstal, S. 196 – 199; zitiert nach: Woelke, Jürgen: Kapital war nötig. Gründerjahre in Gummersbach und Oberberg, Gummersbach 1985, S. 83

1813-1815Bau der ersten befestigten Straße zwischen der Winterbecke und Kotthauserhöhe als Teil der Wetterauer Fernstraße
1815Die BM Gummersbach wird in das Königreich Preußen eingegliedert.
1825Gummersbach wird Kreisstadt des neuen Kreises Gummersbach.
1823-1834Bau der Köln-Olper Straße entlang der Agger (heute B 55)
1832/35Erste Postkutschen-Linie
1834Anlage der 1. Fabrik: Baumwollspinnerei Barthels in Gummersbach-Derschlag
1835Gründung der ersten Zeitung im Aggerraum: ”Agger-Blatt“ (später „Gummersbacher Kreisblatt, seit 1869 „Gummersbacher Zeitung“)
1839Bau der ersten katholischen Kapelle
1848/49Revolution
1853Gründung der Städtischen Sparkasse Gummersbach
1855Beginn der Kunstwolle-Produktion
1857Verleihung der Stadtrechte
1867Erste Höhere Mädchen-Schule (privat)